Talsperren im Vinschgau
Zu Besuch bei den größten Talsperren im Westen Südtirols – eine Tour zu romantischen Seen, die nur selten romantische Geschichten erzählen. Eine erstklassige Moppetprosa-Motorradstory.
Die Moppetprosa-Story über die Talsperren im Vinschgau erschien erstmals in MOTORRAD, Europas größter Motorrad-Zeitschrift (Ausgabe 14.2021) und kann auf www.motorprosa.com komplett nachgelesen werden.
Der Reschensee lehnt sich beidseits an den Berg: im Spätsommer hochstehend, bis zu 30 Metern tief und schiffbar oder im Winter tiefliegend, gefroren und spektakulär von Snowkitern befahren. Der Kirchturm, der auf halber Strecke aus dem Nass ragt, reizt zum Fotostopp – und außerhalb der Hochsaison gibt’s auch genug Platz dafür.
Warum sich hier ein Turm einsam seine Fundamente wässert, wird wenig später offensichtlich: ein schlanker, knapp 470 Meter langer Staudamm, ein Wall aus festgewalzter und betonverkleideter Erde, erhebt sich 30 Meter über die Ortschaft St. Valentin auf der Haide. Der scharfe Vinschger Wind peitscht nicht nur das Wasser des Sees über 6,5 Kilometer, sondern bläst auch Motorräder auf der befahrbaren Dammkrone in Schräglage. Bei seiner Fertigstellung war dies der erste große Staudamm Italiens und einer der größten in Europa.
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Südtirol – Land der Berge, Land der Wasserkraft: an den Seiten des Vinschgaus stehen alte, auffällige, eigentlich auch wunderschöne Gebäude, die von Stromkabeln umwoben sind und von dicken Druckleitungen aus den Bergen gefüttert werden: die Großkraftwerke Laas, Kastelbell und Naturns, die parallel zu den Talsperren und Stauseen in den 1950er Jahren entstanden. Die kleinen, in weitaus höherer Zahl vorkommenden privaten Kraftwerke bleiben unsichtbar.
Mit hunderttausenden Tonnen Gewicht stemmt sich die Talsperre gegen den 70 ha großen See und hält seit Mitte der 1950er Jahre auch die bisweilen wütende Plima im Zaum. Trotzdem blieb eine Katastrophe nicht aus: im Sommer 1987 mussten die Schleusen aufgrund heftiger Regenfälle notgeöffnet werden, um ein Überlaufen des Sees abzuwenden – und ließen sich erst viel zu spät wieder schließen. Die Fluten zerstörten zahlreiche Häuser und verursachten immense Schäden.
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100 ha kristallklares Wasser spiegeln die Berge der Ötztaler Alpen wider – die Uferstraße führt scharf an der Wasserkante vorbei, und bei niedrigem Wasserstand ragt auch hier ein Kirchturm aus dem See. Zwar weit weniger bekannt als sein Pendant im Reschensee, nimmt ihm dies nichts von der Dramatik – denn auch hier versanken Gebäude und Existenzen in einem künstlichen See, und dessen smaragdgrüne Farbe täuscht über die Verluste der ehemaligen Bewohner erschreckend freundlich hinweg.
Auch das hier gesammelte Wasser macht sich durch den Berg auf den Weg ins Tal, durch unvorstellbar komplizierte Stollen und Anlagen, und stürzt in Naturns über eine zwei Kilometer lange, am Fels sichtbare Druckleitung auf drei Turbinen.
Talsperren im Vinschgau – Bildergalerie
Die Moppetprosa-Story über die Talsperren im Vinschgau erschien erstmals in MOTORRAD, Europas größter Motorrad-Zeitschrift (Ausgabe 14.2021) und kann auf www.motorprosa.com komplett nachgelesen werden.