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Mad Moppetprosa Monday

Mad Moppetprosa Monday #12

Uli ist dran, mit den Bildern für die Challenge Nr. 12. Kurios – pro Bild immer nur ein Fahrer? Was Uli damit wohl meint? Lasst mich mal ein bisschen spazierendenken und auf 30 Jahre Motorradfahren zurückblicken.


Ulis Bilder zum Mad Moppetprosa Monday #12

Die Gedanken von Jürgen: Lonesome Rider

Frag mal einen Motorradfahrer, warum er Motorradfahrer ist. Wenn Du dann etwas Anderes als “wegen Freiheit und so”, als Antwort erhältst, dann hast Du einen ganz besonderen Vogel getroffen. Wir setzen uns also auf unsere Maschinen, um vor irgendetwas zu fliehen, um mit uns allein zu sein, um spazieren zu denken.

Hm … als ich mich damals, als ich noch 60 kg wog, für den Kauf einer wunderschönen Suzuki RGV 250 entschied, da dachte ich auch irgendwie an Freiheit. “Frei” war ich nach dem Kauf aber nicht mehr – die Bank wollte monatlich einen Teil des geliehenen Kaufpreises von mir zurück, und um diesen kleinen Teil zahlen zu können, brauchte ich drei Jobs: Vollzeit war ich Koch, Teilzeit unterrichtete ich vis-a-vis vom Gasthof die Fächer Recht und Wirtschaft, und abends ab 20.00 Uhr gab ich PC-Kurse für Erwachsene.

Das ergab mit viel Glück einen einzigen “freien” Tag in der Woche. Ich warf mich früh am Morgen ins wunderbare Leder, schlüpfte in meine edlen Handschuhe, streifte mir den coolen Helm über und machte mich auf die Suche nach gleich träumenden Fahrensmännern.

Das war nicht immer die beste Idee. Die anderen Jungs waren alle immer schon länger als ich auf zwei Rädern unterwegs, frästen durch für mich furchteinflößende Kurven, als wären sie nicht existent, zogen erst an der Bremse, als ich schon stand, und hatten den Gasgriff schon am Anschlag, als ich noch überlegte, ab wann ich mir ein bißchen mehr Leistung erlauben sollte …

Nach einer lustigen Fahrt durch die Nacht, im Windschatten meines Vorbilds Joy, erkannte ich, als grüner Junge, ganz schnell: sich mit einem erfahrenen Rider zu matchen, das lässt man lieber.

Joy, der schon sein ganzes Leben lang Motorrad fuhr, trieb seine nachtschwarze CBR 1000 F durch die dunklen Kurven, dass mir das Sehen verging. Beim Versuch, dem fahlen Schein seines Rücklichts irgendwie zu folgen, ruderte ich viel zu schnell auf den falschen Linien durch die Ecken – und rutschte dann in einer scharfen Links mit dem Vorderrad weg, was mir sofort ein paar Zähne zog … Ich stand den Stunt zwar, kam aber mit blutig gebissenen Lippen nach Hause.

Ich wurde zum Lonesome Rider, um ein bisschen länger zu überleben. Ich nahm meine Suzuki, die nach dem langen, dreijobbigen Sommer endlich mir gehörte, jeden Nachmittag her und fuhr auf’s Stilfser Joch. Immer und immer wieder. Ich ließ die schnellen Jungs vorbei, ich verfolgte sie nicht, ich maß mich nicht mit ihnen.

Ich wurde zum einsamen Liniensucher in den 48 Kehren und auf ganz vielen Straßen Südtirols – und kam ganz gut klar damit. Ein leicht ausufernder Ritt auf der Yamaha FZR 1000 Exup endete allerdings in den schneebedeckten und nicht asphaltierten Kehren des Gaviapasses. Von dem ahnte ich damals noch nichts – aber jeder andere Motorradfahrer hätte wohl gewusst, dass zwischen Tonalepass und Bormio noch ein hochalpines Monster versteckt ist …

Ja nu. Ich schärfte in diesem “Lonesome mode” mehr und mehr meinen Fahrstil, fuhr die Angststreifen an den Reifen ins Nirvana, rammte die Fußrasten der Exup in den Asphalt des Ritten und konnte irgendwann auch meinem Wingman Joy durch die Nacht folgen, ohne mir permanent die Lippen zu zerbeisen.

Zu Supermoto-Zeiten zerwemsten wir dann die Pässe der Alpen mit einer Handvoll Zentimetern Abstand zwischen den Kotflügeln, drifteten später unsere Superdukes auf der gleichen Gummispur durch die Serpentinen. Lonesome fühlte sich irgendwann etwas komisch an – denn zu zweit war’s aufregender und hatte mehr Erzähl-Potential.

Und doch: meine einsamen, nur von Zikaden-Schwärmen begleiteten Fahrten auf den Mont Ventoux, das Schwingen durch die Bonette-Kehren bis auf 2800 Meter Meereshöhe, das stille Wandern über den Mortirolo-Pfad und das lautlose Gleiten über die Forstwege meines Heimat-Dorfs … es ist manchmal einfach wunderschön, ein Lonesome Rider zu sein.

Es sind die freiesten Momente auf zwei Rädern: mit sich selbst sein, gemeinsam mit seinem Motorrad einsam unterwegs sein, sich das Gesehene und Erlebte selbst erzählen …

… und dann auf Motorprosa • Geschichten aus der Kurve darüber schreiben 😉

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