Erlebnis Col de l’Iseran
Portrait des Col de l’Iseran – höher hinaus geht es in den Alpen über einen Pass nicht, zumindest nicht auf Asphalt. Das ist beeindruckend.
Das Moppetprosa-Passportrait zum Col de l’Iseran erschien in MOTORRAD, Europas größter Motorrad-Zeitschrift, Ausgabe 20.2022.
Bonneval-sur-Arc, eines der schönsten Dörfer Frankreichs, liegt im äußersten Osten des Departments Savoie am Ufer des namensgebenden Flusses Arc. Die Fahrt von Lanslebourg-Mont-Cenis bis dahin führt durch ein flaches Trogtal mit beeindruckenden Bergflanken zu beiden Seiten. Die Ortschaft besteht zum größten Teil aus mit dicken Steinplatten gedeckten Naturstein-Häusern. Dachstühle, Balkone und Eingangstüren zeigen sich in rötlichem Holz und reich mit Blumen verziert.
Hier beginnt in einer langgezogenen Linkskurve die Straße zum Col de l’Iseran, dem höchsten befahrbaren Pass der Alpen. Er gehört seit 1912 zur berühmten Route des Grandes Alpes und verbindet die Hochtäler des Arc mit dem der Isère. Die über den Pass verlaufende D902 ist nur von Juni bis Oktober befahrbar und auf der Nordseite stark durch den Wintersport geprägt – im Winter werden Teile von ihr als Pisten des gigantischen Skigebiets Espace Killy genutzt.
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Wie bei so vielen Alpenpässen führten auch hier militärische Interessen zum Ausbau eines alten Saumwegs – der Transport von schwerem Material für einen eventuellen Verteidigungsfall in der Grenzregion zu Italien verlangte nach mehr als einem unbefestigten Trampelpfad.
Die durchgehend fehlende Streckenbegrenzung läßt die Fahrt dennoch herausfordernd werden. Zwar kennzeichnen vergilbte Farbflecken die Mitte der Fahrbahn und geben etwas Orientierung, die Blicke werden aber unablässig von der alles einnehmenden, umgebenden Natur abgelenkt – sei es von mächtigen Felsstürzen, die das vom Arc gegrabene Tal wieder verschließen möchten, sei es von den gleisenden Gletschern auf den umliegenden 3000ern oder von den sich im Gelände verlierenden Wirtschaftswegen.
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Diese Rohheit fasziniert – umso mehr verwundert der 50 Meter lange Tunnel, der nicht einfach durch den Fels getrieben und so belassen, sondern aufwändig mit Stein verkleidet wurde. Unmittelbar danach folgt die Pont de la Neige – übersetzt „Schneebrücke“ – als offensichtlich kältester Punkt der Strecke: selbst im Hochsommer bleiben Schneefelder am Ufer des Wildbachs Lenta, der in seinem Oberlauf einen beeindruckenden Canyon geschaffen hat, liegen.
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Der Col de l’Iseran ist der sich zurückhaltende Höhepunkt der Route des Grandes Alpes. Er läßt deren komplette Befahrung aufgrund seiner Höhe und der unberechenbaren Witterung nur für kurze Zeit zu.
Erlebnis Col de l’Iseran – Bildergalerie
Das Moppetprosa-Passportrait zum Col de l’Iseran erschien in MOTORRAD, Europas größter Motorrad-Zeitschrift, Ausgabe 20.2022.